Order of Canons Regular of Prémontré
Necrologium
 

INDIVIDUAL OBITUARY

Prior Dr. Michael van der Hagen (1884-1970)[1]
 
Wenn man liest, dass am 29.03.1884 in der Pfarrkirche Oedenrode  Odulphus Josephus, Sohn von Johannes van der Hagen  und Johanna van Grinsven  getauft wurde, und wenn auf dem Sterbebildchen zu lesen ist „gestorben am 04.03.1970“, dann fällt auf, dass man bei der Zählung der Lebensjahre fast ein Jahrhundert weiter gekommen ist. Freilich ist mehr zu berichten über das Leben des Odulphus van der Hagen als nur das hohe Alter, nämlich dass er 1902 Prämonstratenser wurde in der Abtei von Berne  in Heeswijk, den Namen Michael bekam und am 15.08.1908 in Utrecht  durch Bischof Heinrich van de Wetering  zum Priester geweiht wurde. Hier soll der Versuch gemacht werden, über einige Ereignisse aus seinem Leben zu berichten, die es wert sind festgehalten zu werden.
 
Das erste, was hier zu vermelden ist, ist das Trachten seiner Mutter, die Kinder zu einem starken, unbeugsamen Willen zu formen, wovon später Dolf mehr als geprägt sein wird. Als Dolf nämlich Schüler geworden war auf dem Gymnasium zu Heeswijk und so hinstudierte, wobei er nicht unbegabt war, wollte die Mutter ihn auf ihre Weise auf die Probe stellen und seinen jugendlichen Beschluss testen. Sie sagte: „Junge, wenn ich dir ein neues Fahrrad verspreche, würdest du dann mit dem Studium aufhören?“ Das war ein Versuch auf schon sehr resolute Art. Dolf blieb bei seinem eingeschlagenen Weg. Und dies hat ihn immer charakterisiert: Was er einmal angefangen hatte, wozu er einmal Ja gesagt hatte, da blieb er dabei. Man hat ihn auch öfters sagen hören: „Was die Mutter vorhatte oder wollte, das geschah auch!“ Wenn man weiß, aus welcher pädagogischen Schule Menschen kommen, dann kann man auch ihren Charakter besser verstehen.
 
War das auch der Grund, seine Charakterfestigkeit und feste Entschlussfreudigkeit nämlich, warum man ihn noch als jungen Priester mit einer verantwortungsvollen Aufgabe betraute? Nichts macht mehr Eindruck, auch auf junge Menschen, als wenn jemand weiß, was er will, und dies auch unerschrocken und mit Eifer und Entschlusskraft zu verwirklichen sucht. Er war Novizenmeister, Konrektor am Gymnasium und Zirkator und dies alles in der Zeit zwischen der Priesterweihe August 1908 und dem Jahr 1924, als er nach Windberg kam. Obwohl er sich von Beginn an eifrig ins Zeug legte und keine Zeit verlieren wollte, dazwischen hatte er noch in Altphilologie promoviert an der Universität von Utrecht  am 27.04.1920 und an den Universitäten von Zürich  und Basel  studiert, sollte sein Lebenswerk und sein großer Einsatz aller seiner Kräfte erst in der Zeit in Bayern anheben.
 
Auch wenn wir die Zwanziger Jahre noch als eine Zeit betrachten, in der Berne auf Expansion aus war - die Gründung in Amerika war noch nicht so alt als dass man sich nicht mit den Pionier-Mitbrüdern verbunden fühlte und die Missionie­rung in Indien hatte auch gerade erst begonnen, so war doch die Wiedererrichtung der Abtei Windberg kein Ergebnis einer vorausgehenden Planung und wohler­wogener Pioniersbeschlüsse.
 
Der Plan, die Abtei Windberg wieder zu errichten, entstand auf eine mehr zu­fällige - soweit es überhaupt Zufälle gibt - und nach Prior Michaels Worten eigen­artige Weise. Prior Michael erzählte das immer so: „Das erste Mal, dass ich in meinem Leben etwas über die Abtei Windberg hörte, war im August 1922. Mittags kam ich vom Urlaub nach Hause. In der Rekreation traf ich den Mitbruder Lambert Winters , der gerade die Zeitung las. Als er mich bemerkte, sagte er ohne von der Zeitung aufzuschauen, als ob nichts Besonderes wäre: „Morgen gehe ich mit dem Prior nach Deutschland und werde ein ehemaliges Prämonstratenser­kloster zurück zu kaufen“. Ich dachte, dass er scherzte und antwortete auf die gleiche Weise: „Ihr könnt mir vieles erzählen, aber mach das anderen weis!“
 
Aber es war wahr. Ein Mitbruder von der Abtei Tepl , Albert Stara , Pfarrer in Nürschau  bei Pilsen, der Windberg kannte und wusste, dass das zu erwerben war, suchte nach Möglichkeiten zur Wiedererrichtung. Er schrieb mehrere Klöster an u. a. Averbode  und Berne . Auch der damalige Pfarrer von Windberg, Johann Kugler  versuchte alles, um das Kloster wieder seiner früheren Bestimmung zurückzu­geben. So hat Abt Evermod van den Berg  am 28.08.1922 einen Brief erhalten mit der Frage und Bitte, ob nicht Berne Personen und Mittel bereitstellen könne, um das Kloster Windberg wieder zu besiedeln. Der Abt hatte nicht viel Augenmerk auf diesen Brief gelegt und ihn in den Papierkorb geworfen. Aber da kam P. Lambert zur Tür herein, der ein paar Tagen in Niederlande war, wo er nach Ferienaufenthaltsmöglichkeiten für deutsche Kinder suchte. Er wollte Abschied nehmen, um nun wieder ins Ruhrgebiet zu fahren, wo er als Seelsorger tätig war. Der Prälat zeigte ihm das Schreiben aus Deutschland. So gering und lustlos das Interesse des Abtes war, so feurig und eifrig war nun plötzlich Lamberts Anteil­nahme. So begann er auf kräftige Weise und mit deutlichen Worten, die noch den früheren Textilverkäufer verrieten, den Abt anzusprechen: „Hoogwardig Heer, das finde ich eine prächtige Idee. Das ist eine Chance! Greif zu, würde ich sagen. Dafür biete ich mich an. Die deutsche Sprache kann ich.“ Wie wir wissen, ist dieser Eifer und diese Bereitwilligkeit von P. Lambert  kein Strohfeuer gewesen. So war der Anfang der Wiedererrichtung der Abtei Windberg und so verliefer.
 
Die erste Reise von P. Michael nach Windberg war vom 02. - 12.08.1923 zu­sammen mit Abt Evermod van den Berg  als seinem Reisebegleiter. In Wirklich­keit hatte der Abt schon P. Michael als Oberen und Prior der neuen Abtei gesehen, aber ihm noch nichts gesagt. Von dieser ersten Reise erzählte Prior Michael dann einmal, wie der Prälat van den Berg ganz bescheiden, fast schüchtern im Zug saß, mit einer großen holländischen Zigarre versehen, woran er tapfer zog, so dass die Asche über seinen Habit fiel. Und bei jeder Station oder immer dann, wenn es recht zuging, mahnte und warnte: „Beisammen bleiben, bei mir geblieben!“ Auch erzählte er, dass das Kloster Windberg beim ersten Anblick eine große Ent­täuschung für ihn gewesen war. Es sah aus wie eine Ruine.
 
Inzwischen waren dort P. Lambert Winters  und die beiden Brüder Augustinus  und Stephanus  über ein Jahr (02.07.1922). Lambert und Pius van Aken  waren am 11.06.1922 nach Bayern gereist und am 13.06.1922 wurde der Kauf der Abtei Windberg notariell verbrieft. Die Kaufsumme betrug 15.000 Gulden. Es wird berichtet, dass der Besitzer im letzten Augenblick noch 1000 Gulden mehr ver­langte. Aber dann hatte Prior Milo Ondersteijn  so energisch protestiert - jeder, der den Charakter und die Handlungsweise des späteren Abtes Ondersteijn kannte, kann sich diese Protesthaltung lebendig vorstellen - dass der Kauf wie abgemacht geschlossen wurde. Der ganze Besitz umfasste die Klostergebäude (der kurze und der lange Flügel), 10 ha Grund, Stallung und Scheune, Vieh (3 Kühe und 2 Pferde), etwas landwirtschaftliche Geräte und dann die Brauerei mit alten Maschinen.
 
Die Ernennung von P. Michael als Prior von Windberg geschah zum 18.08.1923. Gleichzeitig wurde Siard Tibosch  als Subprior und Novizenmeister ernannt. Nach seiner eigenen Aussage waren seine Deutschkenntnisse ausschlaggebend für seine Ernennung. Man hätte ihm lieber den Weg eines weiteren Studiums vergönnt, was vor allem Dr. Joseph Nouwens  haben wollte. Am 23.01.1924 ging dann P. Michael als erster Prior der theoretisch wiedererrichteten Abtei Windberg nach Bayern. Bruder Benedikt  begleitete ihn.
 
Vielleicht ist er auch darauf hingewiesen worden, dass die Rechte der Abtei Wind­berg noch nicht verjährt oder untergegangen waren. Nach dem kirchlichen Recht ist das erst der Fall 100 Jahre nach dem Tod des letzten Mitgliedes einer Kloster­familie. Diese Zeit war noch nicht verstrichen. Die Abtei Windberg war also fort­bestanden, wenn auch ohne sichtbare Lebensäußerungen.
 
Die Lebenszeit und das Lebenswerk von unserem Mitbruder Prior Michael in Bayern und hier in Windberg kann man in zwei Abschnitte einteilen, die Zeit von 1924-1940, dann der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und von da an bis 1966, wo er dann definitiv die Verantwortung und Leitung zurückgab. Beide Perioden waren voll Spannung, Aktivität und Ereignissen, sie hatten auch ihre kleineren und größeren Schwierigkeiten und sogar kleine Tragödien gekannt. Wir wollen versuchen, diese Ereignisse zu beschreiben nach dem Verlauf und versuchen das möglichst getreu zu tun.
 
Einmal in Windberg angekommen, begann er mit der Wiedererrichtung. Da gab es viel zu tun! Auf jedem Gebiet musste man auf’s Neue beginnen, aufbauen und restaurieren. Man hatte zwar etwas gekauft, aber das war so ruiniert, dass der neue Prior beim ersten Anblick echt erschrocken war. Und das heißt was, wenn Prior Michael erschrak. Der ganze Komplex wurde verkauft, weil er nicht mehr zu richten war. Aber das wussten unsere Mitbrüder nicht und Mitbruder Stara  und der Pfarrer von Windberg hatten das auch nicht überrissen, denk ich. Brauerei, Landwirtschaft, Klostergebäude, es schrie alles um Hilfe, Versorgung, Erneue­rung. Warum kaufte man diese Gebäude, die in einem so schlechten Zustand waren? Die Antwort des Priors Michael war dazu: „Ich glaube, dass die Mitbrüder gedacht hatten, dass der Pfarrhof, die frühere Prälatur, auch zum Komplex gehöre. Dieses Gebäude war noch einigermaßen!“
 
Aber die Pioniere, mit P. Michael als Anführer, kehrten nicht gleich um. Sie packten an, es wurde gearbeitet, es wurden Aktivitäten eingeleitet auf allen Gebieten. Prior Michael war es, der vor allem die Aktivitäten, Kontakte und Gespräche nach außen einfädelte. Das brachte ihn in Kontakt mit vielen Kreisen und Personen. Er besaß die Gabe und wusste Wege, vor allem in höhere Kreise zu kommen. Es war vor allem seiner Persönlichkeit zu verdanken, nicht etwa klösterlicher Pracht oder reichsstiftlicher Galerien, dass sich die adeligen Herr­schaften hier zu Hause fühlten und in geistlichen Zirkeln zusammenfanden. Dass solche Kontakte nützlich und günstig waren für den materiellen Aufbau des Klosters ist einsichtig. Und es musste viel gebaut werden. Die Gebäude waren so schlecht, dass man vom Gang parterre durch alle Stockwerke hindurch bis durch das Dach den Himmel bewundern konnte. Und solche Aussichtsstellen gab es mehr als eine. Es sah aus, als ob das ganze Gebäude einen Tag unter Granatfeuer­beschuss gelegen habe. Im zweiten Geschoss war nirgends eine Tür oder ein Fenster zu sehen, überall freier Zugang für Wind, Schnee, Tauben und Fleder­mäuse.
 
Aber nicht nur materiell, auch geistig und religiös musste man hier von Null anfangen. P. Michael ging von diesem Prinzip aus, das er nirgends öffentlich ver­kündigt, aber allzeit gelebt hatte: Selber ein integrer Priester zu sein, ein echter Ordensmann, ein Mann des Glaubens und des Gebetes. Auch hier war er ein „Prior“, ein „Michael“. Er war nicht bei der Nachhut, nicht einer von denen, die viel reden, aber wenig tun. Mancher hätte vielleicht eine mehr väterliche Ermuti­gung von ihm gehört. Aber Prior Michael kam einfach nicht auf solche Gedanken. Er sollte es sonst sicher getan haben, so freundlich und aufmerksam, wie alles, was er anging. Aber er hatte es in seinem Leben nicht gelernt. Man erzählte, dass seine Mutter, als sie im Sterben lag, ihm ein wenig den Vorwurf machte, dass er seine Aufgabe, das Studium in Utrecht , wegen des Besuchs bei ihr jetzt vernach­lässige, zu ihm sagte: „Sterben, Junge, kann ich ganz gut allein!“
 
Ähnlich ist es zugegangen, als die Mitbrüder nach dem Krieg abgekämpft und heruntergekommen wieder nach Hause kamen. Das erste und fast einzige Wort von Prior Michael war: „Haben sie Geld bei sich?“
 
Die moralische Aufrüstung des Klosters Windberg und von da aus in der ganzen Umgebung ging nicht in schnellen Schritten vor sich. Warum ging das nicht schneller, nicht erfolgreicher? Hier könnte man verschiedene Gründe anführen, die alle wahr sein können und einen gewissen Einfluss hatten: Der bayerische Wald, ein unterentwickeltes, vergessenes Land, ein durch den Weltkrieg gezeich­netes Volk, ein angeschlagenes Volksempfinden und aufgeweichte Frömmigkeit. Sicher kann man nicht sagen, dass es an persönlichem Mut und Einsatz in großem Stil gefehlt habe. Man muss vielmehr die Dinge sehen, wie sie damals waren. Bayern, ein fremdes Land, weit weg und völlig unbekannt, ein Land mit großen Schwierigkeiten nach dem Krieg. Später kam dann die Hitlerzeit mit seinen besonderen Problemen. Dies alles trug dazu bei, dass Eifer und Durchhaltevermö­gen auf eine harte Probe gestellt wurden. Hatte Prior Michael vielleicht das Ziel gehabt in diesem Sinn, dass er ein besonderes Reformkloster gründen wollte und dass er dessen nicht überdrüssig wurde? Die Hitlerzeit ließ den Klostergebäuden mehr Ruhe, mindestens teilweise; aber das Klosterleben war fast auseinanderge­fallen, weil alle Priester in der aktiven Seelsorge besetzt waren. Denn jeder Mit­bruder suchte in eine Pfarrei zu kommen. Als ausländisches Territorium erfuhr Windberg ein bißchen mehr Respekt. Prior Michael machte dankbar Gebrauch davon, um mit weniger Risiko Unterschlupf Suchende aufnehmen zu können. Nach der Hitlerzeit und nach dem Weltkrieg lag das gesamte Klosterleben darnie­der. Dies ist zwar schnell erwähnt und niedergeschrieben, aber in Wirklichkeit war das eine desolate Situation und eine furchtbare Enttäuschung. Wieviele Kandida­ten und Postulanten hatte es nicht gegeben? Wieviel Unterweisung hatte man nicht gegeben? Mit aller Geduld, mit Eifer und zähem Durchhalten hatte man eine Basis gelegt, einen Konvent aufgebaut. Und nun, mit einem Schlag war beinahe alles weg. Doch Prior Michael versammelte seine Mitstreiter wieder und suchte neue „Hilfstruppen“. Dass dies gelang und dass im Jahr 1957 eine schnelle Reno­vierung und Wiederbelebung zu verzeichnen war, ist allein Prior Michael zu ver­danken. Man könnte es auch als eine Art Belohnung ansehen für sein Standhalten und für seinen Eifer, ebenso wie die Auszeichnungen, die er von Seiten der Gemeinde und der Diözese erhielt. Bei seinem goldenen Priesterjubiläum 1958 wurde er Ehrenbürger der Gemeinde Windberg und der neue Bischof Rudolf Graber  ernannte ihn 1963 zum Bischöflichen Geistlichen Rat.
 
Prior Michael war ein Mann voller Eifer und geistlicher Überzeugung, und das ließ er auch spüren. Er war voller Energie und nie ängstlich. Er nahm es mit jedem auf, selbst mit hochgestellten Autoritäten. Das war nicht immer diplomatisch, aber es war konsequent seiner Lebensart entsprechend. Diese Haltung hat er bis zu seinem Lebensende behalten, allerdings mit dem Unterschied, dass er, als er nicht mehr Prior war und keine leitende Funktion mehr ausübte, eher schweigen konnte, wenn er nicht einverstanden war. Aber seinen Standpunkt aufgeben? Niemals!
 
Diese Unbeugsamkeit, Entschlossenheit und dieses sture Durchsetzungsvermögen oder wie man es auch nennen will, haben mehr oder weniger dramatische Spuren in der Geschichte Windbergs hinterlassen. Wenn man die Augen nicht zumacht und probiert genau hinzuschauen, entdeckt man eine kurze Zeitspanne, wo Prior Michael allein stand, ohne ausreichende Hilfe der Mitbrüder, geschweige von Seiten der kirchlichen Leitung. Das geschah so, dass er als Prior einen Moment lang jeglichen Grund unter den Füßen verlor. Dass dies eine schwere und gewiss dunkle Zeit war, ist zu verstehen.
 
Wenn man so weiter nachdenkt über dieses Leben, kann man nicht sagen, dass Prior Michael auch eine ausgesprochene prämonstratensisch-bernensiche Tradi­tion vergegenwärtigte, weil er sich doch so einsetzte für Chorgebet und Euchari­stie. Er war liturgisch, aber wie es schien auf seine Weise. Aber er hatte eine sehr deutliche und gläubige Auffassung vom „officium divinum“ und von der Liturgie. Auch diese Aufgabe tat er mit Eifer. Er kam als Erster und ging als Letzter. Selber war er Kantor. Er wollte vor allem die Eucharistie und die hl. Kommunion in den Mittelpunkt des christlichen Lebens stellen, sowohl für die Priester wie für die Laien. Hier fand er in Windberg und seiner Umgebung ein großes, aber nicht immer leichtes Arbeitsfeld. So begann er seinen „Eucharistischen Kreuzzug“ und versuchte auf seinen vielen Reisen und Fußmärschen, bei Aushilfen und Predigten Mitstreiter zu gewinnen quasi als Hilfstruppen für seinen großen Kampf, den er führen wollte. Auch hier verließ Prior Michael seine Natur und sein Charakter nicht. Wie könnte es auch anders sein? Auch hier hat er „ja“ gesagt, die Hand einmal an den Pflug gelegt und nicht mehr umgeschaut. Immer vorwärts, immer weiter! Gingen dann die Menschen, die Mitbrüder, der Klerus immer mit? Nein. Das ist beinahe immer so, wenn es in der Hauptsache um geistliche, religiöse Belange geht. Er stieß auf Schwierigkeiten und Unverstand in den eigenen Reihen und draußen. Aber weil es so echt war, was er tat, so ganz getragen von Überzeu­gung und Glaube, kamen viele doch zum Nachdenken, mussten ihm viele recht geben. Man kann wirklich sagen, er hat Erfolg gehabt, er hat etwas erreicht. Das eucharistische Leben, die hl. Messe und die hl. Kommunion fanden beim Klerus und beim Volk mehr Eingang und mehr Hochschätzung.
 
Hier soll nicht unerwähnt bleiben die Beziehung und große Verehrung für den flämischen Priester Eduard Poppe . Diesen besonderen Priester hat Prior Michael einmal in Averbode  gesehen, wo er eine Versammlung oder Besprechung hatte über den Eucharistischen Kreuzzug. Warum er diesen Priester so verehrte und seine Schriften übersetzte und verbreitete? Er sah wohl in diesem Priester ein echtes Vorbild und einen echten Apostel der Eucharistie. Das wollte er selbst auch sein. Dazu stand an seiner Seite auch ein Priester aus Regensburg Dr. Josef Rußwurm . Miteinander haben sie viele Stunden gesprochen, geschrieben und Pläne gemacht, alles um diesen strategischen Plan durchzuführen. Es wäre zu viel und dauerte zu lang, um eine vollständige Lebensbeschreibung zu geben, eine Sammlung aller Handlungen und Taten, die mehr oder weniger ihm zuzuschreiben sind, weil sie mit Windberg zusammenhängen. Windberg hat der Umgebung und dem Bistum Regensburg große Wohltaten bewiesen durch Gebet und Seelsorge, durch den Poppeverlag, wodurch es möglich war und ist, Schrifttum zu verbreiten und anzubieten. Windberg war ein Zufluchtsort für Mitbrüder in Not und vom Krieg Betroffene. Windberg war für einige Jahre Noviziat von Berne . Von Wind­berg aus wurde 1947 in Rot begonnen. Rot  liegt im Bistum Rottenburg und ist ein ehemaliges Prämonstratenserkloster. 1959 gingen die Mitbrüder von Rot nach Duisburg-Hamborn . Dies wollen wir hier nicht aufführen als Beweis einer über­fließenden Lebenskraft und einem nicht kleinzukriegenden Apostolatsfeuer. Lassen wir es eher betrachten als ein kleiner Zweig, der hervorgeht aus dem Stamm, selber alt, verwittert und durchfurcht, aber mit ungeahnter und nicht zu bezwingender Lebenskraft. Und Windberg ist ein bekannter Halteplatz geworden für viele durchreisende Mitbrüder. Wer hätte das auch nur träumen können?
 
Und so möchte ich enden mit einem Wort voller Dank und großer Wertschätzung für all das, was dieser Mitbruder getan hat für Gott, für den Orden und für die Menschen. Besser und richtiger sollte ich sagen, dankbar zu sein für all das, was Gott durch diesen Mitbrüder hat tun wollen und vor allem was er hat andeuten und offenbaren wollen, nämlich „Ja-Sagen“ und nicht dieses Jawort wieder zurück­nehmen. So denke ich auf einmal daran - Prior Michael hat das wohl immer so gesehen - dass ein solches „Ja“ echt marianisch ist. Ist das nicht das echte Ja aus dem Glauben und aus der Liebe? Und dann will ich eine kleine Prophetie aus­sprechen, was auch ein Wunsch für Windberg sein mag: Wenn der Eifer und dieses pünktliche Pflichtbewusstsein des ersten Priors in der wiedererrichteten Abtei fortleben wird, dann könnte Windberg - in welcher Form auch immer - viel Gutes und viel Segen verbreiten.
 
(Aus: Thomas Handgrätinger (Hg.), 75 Jahre Wiederbesiedelung der Prämonstratenser-Abtei Windberg. Windberger Schriftenreihe 3. Windberg 1998. S. 103-110)

[1]    Kallixt van Veghel, Administrator von Windberg, geschrieben am 20.03.1970 als Nachruf auf Prior Michael.